Adam Stegerwald (1874-1945): Christlich-sozialer Politiker und Gewerkschafter

Adam Stegerwald wurde am 14.12.1874 im Fränkischen bei Würzburg geboren. Im kleinen Ort Geußenheim wuchs Stegerwald in kleinbäuerlichen Verhältnissen auf. Er erlernte das Schreinerhandwerk und engagierte sich in der Christlichen Gewerkschaft im Zentralverband Christlicher Holzarbeiter. In seiner Gesellenzeit trat er der Kolpingsfamilie bei.

Mit anderen kirchlich Orientierten begrüßte er die Bildung eines Gesamtverbandes der Christlichen Gewerkschaften, um gerade den jungen Arbeitern eine Alternative zu den sozialistischen Gewerkschaftsgruppen zu bieten. Im Jahr 1899 wurde Stegerwald mit nur 24 Jahren erster Vorsitzender des Christlichen Holzarbeiterverbandes.

Seinen Grundüberzeugungen folgend, entschloss er sich zur Mitgliedschaft im Zentrum. Im Jahr 1903 wurde Stegerwald Generalsekretär des neu gegründeten Gesamtverbandes Christlicher Gewerkschaften und arbeitete in Köln. Im Gegensatz zu den preußischen katholischen Bischöfen sprach er sich für eine konfessionelle Öffnung der Christlichen Gewerkschaften aus. Ebenfalls empfahl er dem Zentrum, sich Protestanten zu öffnen und eine interkonfessionelle Partei zu werden.

Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges schlossen sich auch die Christlichen Gewerkschaften dem nationalen „Burgfrieden“ an und unterstützten zunächst die Politik des Kaisers. Stegerwald war deshalb bereit, in die Leitung des Kriegsernährungsamtes zu wechseln. Dieses Amt sollte die Ernährung der Bevölkerung in Kriegszeiten sicherstellen. Mit der sich immer mehr abzeichnenden Sinnlosigkeit des Krieges und dem Ende des Burgfriedens brachen die alten Gegensätze zwischen den Gewerkschaften und Parteien wieder auf. Stegerwald übte Kritik am preußischen Dreiklassenwahlrecht. Gegenüber einer umfassenden Demokratisierung war er aber zunächst zurückhaltend. Doch mit dem Ende des 1. Weltkrieges und der Abdankung des Kaisers legte er seine Bedenken ab.

Noch stärker als in der Kaiserzeit setzte sich Stegerwald in der Weimarer Republik für interkonfessionelle Gewerkschaften und eine Partei der politischen Mitte, die Katholiken und Protestanten umfassen sollte, ein. Stegerwald begrüßte das „Stinnes-Legien-Abkommen“ zwischen Unternehmern und Gewerkschaftern vom November 1918, in welchem den Arbeitern Zugeständnisse hinsichtlich von Mitbestimmung und Teilhabe unterbreitet wurden. Stegerwald gehörte zu den Unterzeichnern dieses Abkommens, welches die Grundlage für den Beginn einer modernen Arbeits- und Sozialpolitik in der Weimarer Republik legte.

Im Jahr 1919 wurde Stegerwald Mitglied der Nationalversammlung und der Preußischen Landesversammlung. Ebenfalls 1919 wurde er zum Minister für Volkswohlfahrt in Preußen berufen. Für kurze Zeit, von April bis November 1921, amtierte er als Ministerpräsident von Preußen. Dieses Amt versah er sogar in einer Doppelfunktion als Gewerkschafter und Parteipolitiker.

Unter den Zentrumsanhängern und christlichen Gewerkschaften war Stegerwald für sein Essener Programm aus dem Jahr 1920 bekannt geworden, in welchem er zu einer Überwindung der Spaltung zwischen Katholiken und Evangelischen aufrief. Diese Essener Rede, im eigentlichen Sinne kein Programm, sollte nach dem Ende des 2. Weltkrieges eine der Grundlagen für die Gründung der überkonfessionellen Volkspartei CDU werden. In der Weimarer Republik blieb sein Aufruf jedoch ohne große Resonanz in den Parteien und Kirchen.

Stegerwalds Aufstieg in seiner Partei manifestierte sich im Jahr 1929 als Vorsitzender der Reichstagsfraktion der Zentrumspartei. Mit der Übernahme dieses Amtes wendeteer sich ganz der Politik zu und schied aus der aktiven Gewerkschaftsarbeit aus.

Im gleichen Jahr trat er als Reichsverkehrsminister in das Kabinett Hermann Müller (SPD) ein. Im Kabinett Heinrich Brüning (Zentrum) wurde Stegerwald zum Reichsarbeitsminister berufen und übte dieses Amt in den Jahren von 1930 bis1932 aus. Er bemühte sich um Einbindung des rechten demokratischen Lagers der Parteien DVP und DNVP in die Reichsregierung, was aber selbst in der eigenen Partei auf Widerstand stieß. In vielen sozialpolitischen Fragen stimmte er mit der SPD überein. Stegerwald und anderen republiktreuen Politikern gelang es nicht, die Weimarer Republik zu stabilisieren, viel zu stark waren die durch die Wirtschaftskrise ausgelösten sozialen Verwerfungen. Die bürgerlichen Parteien, insbesondere die Liberalen, konnten den Rechtsruck in der Bevölkerung nicht bremsen.

Unter dem enormen Druck der Nationalsozialsten stimmte Stegerwald wie andere Mitglieder der Zentrumsfraktion dem Ermächtigungsgesetz zu. Er selbst wurde bei einer Wahlkampfveranstaltung von Nazitrupps tätlich angegriffen. Er hegte die vage Hoffnung, Hitler und die NSDAP würden sich ins demokratische System einbinden lassen. Doch das „3. Reich“ beendete Stegerwalds politische Karriere. Er lebte am Rande der Öffentlichkeit und musste mit ansehen, wie der Nationalsozialismus Deutschland und die Welt in den Abgrund stürzte.

Stegerwald wurde im Jahr 1944 nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet. Diese Verhaftungswelle betraf alle ehemaligen Reichstagsabgeordneten des Zentrums. Mit dem Ende des 2. Weltkrieges und der Befreiung Bayerns durch die Amerikaner konnte Stegerwald nach langer Zwangspause wieder politisch aktiv werden. Ihm war es aber nicht lange vergönnt, am Entstehen der Bundesrepublik mitzuwirken. Als Regierungspräsident von Mainfranken verblieb ihm nur eine kurze Zeit. Adam Stegerwald verstarb am 03. Dezember 1945 in Würzburg.

Literaturhinweise:

Bernhard Forster: Adam Stegerwald (1874-1945), Christlich-Nationaler Gewerkschafter-Zentrumspolitiker-Mitbegründer der Unionsparteien, Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte, Bd. Düsseldorf 2003

Rudolf Morsey: Der Untergang des politischen Katholizismus. Die Zentrumspartei zwischen christlichem Selbstverständnis und „Nationaler Erhebung“ 1932/ 33, Stuttgart/ Zürich 1977

Adam Stegerwald, Bildnachweis AdsD Friedrich Ebert Stiftung

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