Oswald von Nell-Breuning SJ (1890-1991): „Nestor der katholischen Soziallehre“

Oswald von Nell-Breuning erlebte in seinen über 100 Lebensjahren die Folgen des Kulturkampfes im Deutschen Reich, beide Weltkriege und den Wiederaufbau der Demokratie in Deutschland nach dem Krieg. Er hatte dabei großen Einfluss auf die Katholischen Soziallehre.

Nell-Breuning wurde am 8. März 1890 als ältester Sohn einer Adelsfamilie in Trier geboren. Schon früh verspürte er den Wunsch, Priester zu werden. Dieses Ziel wurde allerdings aufgrund des adligen Familienbildes erst nach der Geburt seines Bruders im Jahre 1906 greifbar. Nach dem Abitur im Jahr 1908 am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier, an welchem auch Karl Marx seine Schuldbildung erhielt, begann er – nach einem kurzen Intermezzo der naturwissenschaftlichen Studien – das Studium der Theologie und Philosophie in Innsbruck. Nach seinem Eintritt in den Jesuitenorden im Jahr 1911 leistete er Lazarettdienst im 1. Weltkrieg, wirkte als Erzieher in einer Einrichtung der Jesuiten und wurde schließlich 1921 zum Priester geweiht. 1928 wurde er an der Universität Münster mit einer Arbeit zum Thema: „Grundzüge der Börsenmoral“ zum Dr. theol. promoviert. Danach wirkte er als Professor für Moraltheologie, Kirchenrecht und Gesellschaftswissenschaft an der Ordenshochschule St. Georgen in Frankfurt a. M. Im Jahre 1936 wurde – im Kontext zahlreicher Devisenprozesse im gesamten Reich – auch gegen ihn wegen vermeintlicher Devisenvergehen ermittelt. Trotz Freispruch in diesem Verfahren wurde er wegen Misstrauen gegen den nationalsozialistischen Staat zu einer Gefängnis- und Geldstrafe verurteilt. Die Gefängnisstrafe musste er nicht mehr antreten. In der Bundesrepublik wirkte er im höchsten Maße auf gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene.

Nell-Breuning war maßgeblich an der Erstellung der Sozialenzyklika Pius‘ XI., Quadragesimo anno, aus dem Jahr 1931 beteiligt. Zudem beeinflusste er die Definition des Eigentumsbegriffs. Die Enzyklika betont hier die doppelte Natur des Eigentums: Die Individual- und Sozialnatur. Ebenso vertritt sie die Einrichtung einer berufsständischen Gesellschaftsordnung, also eine klassenfreie Gesellschaft, die sich nach gesellschaftlichen Funktionen gliedert. Dieser Lehre blieb Nell-Breuning auch nach Kriegsende verbunden, was seine Skepsis der sozialen Marktwirtschaft gegenüber erklärt. Zeit seines Lebens war Nell-Breuning in den Gewerkschaften aktiv. Er vertrat die Auffassung, dass eine Einheitsgewerkschaft den Richtungsgewerkschaften vorzuziehen sei. Trotz seiner regen Aktivität im DGB konnte er den Verlust des christlichen Einflusses innerhalb der Gewerkschaften nicht verhindern.

Nell-Breuning erhielt für seine Schriften und sein Lebenswerk zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen aus Kirche, Staat und Gesellschaft. Er starb am 21. August 1991 in Sankt Georgen.

Literaturhinweise:

Furger, Franz, Art.: Nell-Breuning, Oswald von (1890-1991). In: Theologische Realenzyklopädie XXIV (1994), S. 254-256.

Hengsbach, Friedhelm/Möhring-Hesse, Matthias/Schröder, Wolfgang (Hgg.), Ein unbekannter Bekannter. Eine Auseinandersetzung mit dem Werk von Oswald von Nell-Breuning SJ (Arbeitsgemeinschaft der Sozialinstitute der KAB. Dokumentationen 2), Köln 1990

Rauscher, Anton, Oswald von Nell-Breuning SJ (1890-1991), in: Aretz, Jürgen/Morsey, Rudolf/Rauscher, Anton (Hgg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 7, Mainz 1994, S. 277-292

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