Matthias Erzberger (1875-1921) – Ein Märtyrer der Weimarer Republik

Matthias Erzberger wurde am 20. September 1875 in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb im Königreich Württemberg geboren. Er wuchs als Sohn eines Schneiders und nebenamtlichen Postboten in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Trotz bescheidener sozialer Verhältnisse besuchte Erzberger das katholische Lehrerseminar in Saulgau (Landkreis Sigmaringen) und konnte 1894 eine Tätigkeit im Schuldienst  als Volksschullehrer beginnen. Zeitgleich studierte er Staatsrecht und Nationalökonomie im Schweizerischen Freiburg. Aus eigner Kraft schaffte Erzberger einen sozialen Aufstieg, der ihn bis in die Reichsregierung führen sollte.

Ab 1896 wendete er sich dem Journalismus zu und schrieb für das katholische Deutsche Volksblatt, eine Zeitung des Zentrums, in Stuttgart. Im Jahr 1899 gründete Erzberger die christlichen Gewerkschaften im Reich mit. Als einer der jüngsten Abgeordneten zog er 1903 für die Zentrumspartei in den Reichstag ein. Erzberger profilierte sich als Finanzexperte seiner Fraktion und galt als Fachmann in Kolonial- und Budgetfragen. An der großen Finanzreform im Reich im Jahr 1909 war er mitbeteiligt. In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg stand Erzberger absolut loyal der Monarchie gegenüber und grenzte sich scharf von der Sozialdemokratie ab. Im Gegensatz zur SPD plädierte er für eine militärische Aufrüstung des Reiches. In einer Denkschrift sprach er sich für eine Annexion und eine Angliederung Belgiens aus. Doch bereits im Jahr 1914 erfolgte bei Erzberger ein stetes Umdenken, und er distanzierte sich von Annexionsplänen, die viele Abgeordnete rechter Parteien befürworteten. Im Ersten Weltkrieg veränderte Erzberger seine bisherige politische Haltung grundlegend und forderte eine Verfassungsreform und einen Verständigungsfrieden. So begrüßte er die Friedensresolution des Reichstages vom 19.07.1917.

Max von Baden ernannte Erzberger am 03.10.1918 zum Staatssekretär ohne Geschäftsbereich. Bereits einen Monat später wurde immer klarer, dass der 1. Weltkrieg für das Deutsche Reich verloren war. Nunmehr beabsichtigte die Oberste Heeresleitung, rasch die Verantwortung an eine zivile Regierung abzugeben. Am 06. 11. 1918 übernahm Erzberger die undankbare Aufgabe der Leitung der Waffenstillstandskommission. Diese Rolle als Bevollmächtigter der Reichsregierung beinhaltete die Unterzeichnung des Abkommens in Compiegne am 11.11.1918, welches die Kriegshandlungen beendete.

Erzberger gehörte in der Weimarer Republik dem Kabinett Scheidemann an und war als Reichsminister für das Waffenstillstandsabkommen zuständig. Obwohl an seiner patriotischen Gesinnung kein Zweifel herrschen konnte, wurde er von der politischen Rechten als Volksverräter und Erfüllungsgehilfe der Alliierten verleumdet.

Als Reichsfinanzminister und Vizekanzler 1919-20 führte er die sogenannte „Erzbergersche Finanzreform“ durch, die u.a. einen Aufbau einer einheitlichen Finanzverwaltung und eine Vereinheitlichung des Steuerrechts umfasste. Als Initiator der Friedensresolution des Reichstages im Juli 1917 und als scharfer Kritiker der deutschen Führung im 1. Weltkrieg wurde er zur Zielscheibe persönlicher Angriffe der Rechtsparteien.

Erzberger gehörte für die politische nationalistische Rechte zu den am meisten gehassten Persönlichkeiten in der Weimarer Republik. Durch seine Finanzreform, die u.a. die Erbschaftssteuer einführte, schaffte er sich weitere erbitterte Feinde. Nach einem gescheiterten Attentat fiel er einem Anschlag am 26.8.1921 bei Bad Griesbach zum Opfer, als er sich für einen Urlaubsaufenthalt im Schwarzwald befand. Die Täter, zwei Freikorpssoldaten, entstammten der Organisation Consul.

Mit Walter Rathenau zählt Erzberger zu den vielen Opfern des rechtextremistischen Terrors und gilt daher als einer der Märtyrer der Weimarer Republik.

Literatur:

Christopher Dowe: Matthias Erzberger – Ein Leben für die Demokratie, Stuttgart 2011

Die Zeit. Das Lexikon in 20 Bänden, Erzberger, Matthias, Bd. 04, Hamburg 2005, S. 295/6

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