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Das Recht ist nichts für Ingenieure – gelungenes Seminar in Karlsruhe

Vom 09.03. -11.03.20 fand eine Seminar-Premiere des Johannes-Albers Bildungsforums statt: Unter dem Titel „Gerechtes Recht?! Rechtsstaat zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ befassten sich 22 Teilnehmende mit der dritten Gewalt unseres Landes. Die Judikative wurde von unterschiedlichen Perspektiven und Zeiten her durchleuchtet.
So erhielt man vom renommierten Rechtsanwalt Professor Dr. Christian Kirchberg Einblicke in Theorie und Praxis einer Verfassungsbeschwerde. In seinem launigen Vortrag brachte er der Gruppe das besondere Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht näher. Überrascht war man über die Quoten: ca. 95% der Beschwerden würden nicht angenommen und die Erfolgsquote der angenommenen Fälle liege bei etwa 2%. Angeregt wurde u.a. über die erst kürzlich erfolgreiche Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht diskutiert, nämlich der Feststellung, dass § 217 des Strafgesetzbuches (Verbot der assistierten Selbsttötung) nichtig ist.
Dr. Detlev Fischer, Richter am Bundesgerichtshof a. D., führte die Seminargruppe durch das rechtshistorische Museum auf dem Gelände des Bundegerichtshofes. Er erläuterte anhand von Exponaten und Imitaten Rechtsordnungen alter Kulturen bis hin zur neuzeitlichen Rechtsentwicklung. So referierte er zum Codex Hammurabi, den Naturrechtsgesetzbüchern sowie dem code civil und erklärte, wie es dazu kam, dass Karlsruhe zur „Residenz des Rechts“ wurde. Die Seminargruppe konnte zudem an zwei Verhandlungen vor dem höchsten deutschen Zivilgericht teilnehmen. Hiervon zeigten sich alle beeindruckt – der Begriff „rechtliches Gehör“ wurde so praktisch hinterlegt.
Mit Gigi Deppe und Dr. Christian Rath konnten zwei renommierte Rechtskorrespondenten als Referenten gewonnen werden. Sie brachten jeweils in separaten Einheiten den Teilnehmenden den journalistischen Blickwinkel nahe. Rath erläuterte das Spannungsverhältnis zwischen Religionsfreiheit des Einzelnen einerseits und Neutralität des Staates andererseits und ging dabei auf die jüngsten Kopftuch-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ein. Hierüber diskutierte die Gruppe sehr lebhaft. Man kam schließlich darüber ein, Rechtsanwendung sei keine Mathematik, sondern unterliege immer auch dem gesellschaftlichen Zeitgeist und politischen Strömungen. Gigi Deppe informierte die Teilnehmenden allgemein über Berichterstattung und im Besonderen über den Schutz der Beteiligten. Sie führte dabei auch aus, inwieweit sich die Medienlandschaft wesentlich geändert habe. Junge Menschen würden bei den klassischen Medien wegfallen und viele sich nur noch online/über soziale Medien informieren. Deppe erläuterte die Gefahren, die sie darin für die Demokratie sehe: zunehmend würden Algorithmen (soziale Medien) darüber bestimmen, was für einen wichtig ist. Deppe sprach zudem den Berufsethos der objektiven Berichterstattung an. In diesem Zusammenhang wurde intensiv über eine Pranger-Wirkung der Betroffenen vs. dem öffentlichen Interesse debattiert.
Das Seminar wurde eingerahmt von einer Lesung mit der Schauspielerin Patrica Litten in Begleitung der Cellistin Birgit Saemann. Litten las eindrucksvoll und bewegend aus ihrer Familiengeschichte vor, einem Buch, das ihre Großmutter über ihren Sohn geschrieben hat „Eine Mutter kämpft gegen Hitler“. Protagonist ist Hans Litten, ein Rechtsanwalt, der Adolf Hitler vor seiner Machtergreifung in den Zeugenstand zwang und ihn dabei bloßstellte. Nach der Machtergreifung musste Litten auf tragische Weise erfahren, dass Hitler ihm diese Demütigung nie verzieh. Ein negatives Beispiel dafür, wie man Recht verdrehen kann. Die Lesung war öffentlich und alle Gäste zeigten sich von der Darbietung bewegt und nachdenklich. Man tauschte sich anschließend über aktuelle Beispiele von Populismus und totalitären Staaten aus.
Ein spannendes und abwechslungsreiches Seminar, so der einhellige Tenor. Die dritte Gewalt sei nun greifbarer und verständlicher geworden. Wobei sich die Teilnehmenden auch darin einig waren, dass das Recht nichts für Ingenieure sei.

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