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Geist und Macht – ein Stück deutscher Geschichte

Buchvorstellung und Lesung bei der Politik am Mittag in der Stiftung Christlich-Soziale Politik: Prof. Dr. Günther Rüther und sein aktuelles Buch „Literatur und Politik. Ein deutsches Verhängnis?“

Am 15. Oktober 2013 stellte Günther Rüther, Hauptabteilungsleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, sein neuestes Buch über das Spannungsverhältnis von Kunst und Macht, „ Literatur und Politik. Ein deutsches Verhängnis?“, vor. Die Einleitung übernahm der Geschäftsführer und pädagogische Leiter der Stiftung CSP, Karsten Matthis, und zeigte auf, dass dieses Spannungsverhältnis bereits im Alten Testament, in der Aufstiegsgeschichte Davids, zu finden ist. Stefan Heym hat dies in den 70er Jahren zu einem erfolgreichen Roman, „König Davids Bericht“, ausgearbeitet.
Rüther, Mitglied der deutschen UNESCO-Kommission, wies auf die Relation von Schriftstellern und Politikern hin und darauf, dass der Wahlkampfeinsatz deutscher Literaten seit Helmut Kohl leiser geworden ist. Die Intellektuellen trommeln sich nicht mehr durch politische Parolen wie Günter Grass dies vor vierzig Jahren sprichwörtlich tat, nein, gar 58% möchten sich derzeit überhaupt nicht zu politischen Sachverhalten äußern – wie Richard David Precht aus einem Artikel der „Zeit“ zitiert wurde. Dabei suchen ja Literatur und Politik die Öffentlichkeit und begegnen sich hier mit konträren Positionen. In der demokratischen Gesellschaft konkurrieren diese beiden auch heute noch um die öffentliche  Meinung und sind somit auch aufeinander angewiesen. Schriftsteller bezeichnen Politiker als „lästige Weltverbesserer, die von Dingen sprechen, von denen sie nichts verstehen.“ Bei einer Antwort hierauf sollten Politiker bedenken, dass ihnen keine künstlerische Freiheit zugestanden wird, sie sich mit freien Meinungsäußerungen also besser zurückhalten.
In drei Themenblöcke hat Rüther sein Buch gegliedert: Zu Beginn zeigte er mit Thomas Mann das Verhältnis von Politik und Kultur, anschließend wurden die Möglichkeiten der Publikationswege in Diktaturen genannt, und im letzten großen Kapitel beschrieb er das Verhältnis im Deutschland nach 1945.
In Thomas Manns Essay „Gedanken zum Krieg“ (1914) wurde eine Parallele zwischen Kunst/Kultur und Krieg/Militarismus gezogen. Mann, zunächst ein leidenschaftlicher Anhänger des wilhelminischen Obrigkeitsstaates, erklärte, dass Kunst und Krieg durch gleiche Beziehungen verbunden sind: Organisation, Umsicht, Exaktheit und Tapferkeit – er hat die „Kunst [einen] großen Krieg genannt“.  Literatur und Politik wurden eins. Nach dem 1. Weltkrieg jedoch wandte er sich von der Monarchie ab und warnte Deutschland vor dem aufkommenden Nationalsozialismus (1922).
Die Spielräume wie auch die Gefahren der Schriftsteller, in der DDR zu publizieren, leuchtete Rüther anhand verschiedener Autorenportraits, wie etwa Franz Fühmann und Anna Seghers, aus. Mit den Worten der Literatur-Nobelpreisträgerin, Hertha Müller, zitierte er treffend die Stimmungen der DDR-Schriftsteller: „die Angst des Menschen in der Diktatur“.
In seinem abschließenden Teil warf der Leiter der Begabtenförderung der Konrad Adenauer-Stiftung die Frage auf, warum die DDR-Schriftsteller ihre Heimat im Westen suchten, das hiesige Grundgesetz strikt ablehnten und dennoch im SED-Staat das bessere Deutschland sahen. Als möglichen Antwort nannte Rüther die nationalsozialistische Vergangenheit und die in den Augen der Schriftsteller fehlende Aufarbeitung dieser Zeit, der „Abscheu der Menschheit“, im Westen.  
Eine Kernthese Rüthers war, dass nach dem Bau der Mauer die geistigen Strömungen des geteilten Deutschlands mehr aufeinander zugelaufen sind. Wenn die Mauer auch zwei unterschiedliche deutsche Kulturen und somit auch Sprachen einst formte, rieben sich jene nicht an der Teilung auf, im Gegenteil: Es kam zu einer Annäherung beider Kulturen. Ein Beispiel jener Annäherung ist Christa Wolfs Erzählung „Der geteilte Himmel“ (1963),  in Ost- wie Westdeutschland ein Bestseller. Die zunehmende Versöhnung zwischen Geist und Macht im Westen ist nicht nur ausgewanderten DDR-Schriftstellern, sondern auch dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, zu verdanken. In einem in der „Zeit“  publizierten Artikel gab er zu, dass auch auf Politikerseite Fehler gegenüber Intellektuellen begangen wurde – ein großer Schritt im Hinblick auf die Beilegung alter Fehden. Kohl warf die nationale Frage 1986/1987 wieder auf, und die Schriftsteller, die „kulturellen Erzieher“, wollten Deutschland plötzlich das Nationalgefühl zurückgeben. Diese Wiederentdeckung des Nationalen war der Wendepunkt, der Kern des geistig-moralischen Umbruchs, konstatierte Rüther.
Wo stehen wir eigentlich heute? Auch heute gibt es Auseinandersetzungen zwischen Geist und Macht, Politik und Literatur, doch haben sie ihre einstige Sprengkraft verloren. Rüther wünschte sich wieder mehr Dynamik in diesem Spannungsverhältnis, doch sollte die Gesellschaft dies „nicht allein Günter Grass und seinen Gedichten überlassen“.
Literatur:
Rüther, Günther: “Literatur und Politik. Ein deutsches Verhängnis?“ Göttingen: Wallstein Verlag 2013.
Christine Jäger, CSP-Bildungsreferentin für Betriebs- und Personalratsseminare

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