Der ehemalige Arbeitsminister in Sachsen-Anhalt und CSP- Stiftungsvorsitzende, Werner Schreiber, führte am 06.02.2014 ins Thema vor 65 interessierten Gästen ein. Deutschland kann im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn auf seine Beschäftigungszahlen stolz sein, dennoch besteht kein Anlass zur Sorglosigkeit, denn der Arbeitsmarkt steht vor großen Herausforderungen. Beschäftigungsverhältnisse sind von der Binnenkonjunktur und der internationalen Lage abhängig. Die Faktoren Tarifabschlüsse, Bildungen und Verrentung wirken ebenfalls auf die Situation am Arbeitsmarkt ein.
Das Vorstandsmitglied der Agentur für Arbeit in Nürnberg, Raimund Becker, zuständig für die Arbeitslosenversicherung, griff die einleitenden Worte auf und bezeichnete die Langzeitarbeitslosigkeit als größte Herausforderung. Etwa ein Drittel der Arbeitslosen seien in Deutschland Langzeitarbeitslose. Saisonbedingt gäbe es z. Zt. über drei Mio. Arbeitslose in Deutschland, was insgesamt eine gute Entwicklung darstelle, zumal im vergleichbaren Zeitraum 2013 die Arbeitslosigkeit um 30.000 Suchende höher lag. Becker skizzierte gigantische Austauschprozesse am Arbeitsmarkt. So verließen im letzten Jahr rd. 500.000 ein Anstellungsverhältnis, wiederum kamen 700.000 Personen in ein Anstellungsverhältnis.
Die Bundesrepublik ist durch die letzten Jahre gut durch schweres Wetter der EURO-Schuldenkrisen gekommen. Bemerkenswert ist die geringe Jugendarbeitslosigkeit. Mittlerweile verzeichnen wir einen Höchststand von 30 Mio. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten – ein Rekord. Viele Partner in der EU beneiden uns aufgrund der Sozialpartnerschaft, der praktizierten Lohnzurückhaltung und die erreichte Flexibilität aufgrund der Agenda 2010. Becker stellte jedoch auch kritisch fest, dass nach Jahren der Flexibilität nun der Wunsch nach Sicherheit und Gerechtigkeit wieder wachse. Die Arbeitgeber möchten ihre Belegschaften halten und gehen auf Wünsche nach mehr Sicherheit ein.
Sorgen bereitet nicht nur den Arbeitgebern der rasante demografische Wandel im Land. Dass rund acht Mio. Menschen in Deutschland künftig weniger leben werden, wird sich zügig auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Der Mangel an Fachkräften schlägt bereits jetzt schon durch. Zwar ist die Erwerbstätigkeit von Senioren und Frauen gestiegen, dennoch fehlen viele Arbeitskräfte. Deutschland ist in vielen Branchen unterbesetzt, so fehlen bereits jetzt Ärzte, Altenpfleger, Maschinenbauer, Lokführer und Sanitärfachkräfte, um nur wenige Berufe zu nennen, so Becker. Sorgen muss auch bereiten, dass jährlich 60 -70.000 Jugendliche ohne Hauptschulabschluss bleiben und 25% ihre Lehre nicht erfolgreich zu Ende führen. So beenden 40% der jungen Köche nicht ihre Ausbildung.
Becker plädierte dafür, ältere Arbeitnehmer in den Betrieben über eine verstärkte Gesundheitsprävention zu halten. Eine gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sei dringend notwendig und werde bereits jetzt im Bereich von Altenpflegern von der Agentur bspw. in Bosnien praktiziert. Untersuchen ergäben die positiven Effekte der Zuwanderung für die Volkswirtschaft, welche sich für alle Bürger auszahle.
Als Hürden für eine Zuwanderung bezeichnete Becker die bestehenden Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Abschlüssen im Ausland, zumal die deutschen Berufsbilder nicht mit Ausbildungsgängen innerhalb und außerhalb der EU übereinstimmen.
Abschließend wies Becker auf die Programme der Agentur für Langzeitarbeitslose hin. Es müsse individuell auf die Probleme von Langzeitarbeitslosen eingegangen werden. Neben der Agentur seien verschiedene gesellschaftliche Kräfte gefordert. Es müsse alles getan werden, damit alle Menschen eine Chance haben.
Das Plenum diskutierte angeregt u.a. die Auswirkungen des Mindestlohnes auf den Arbeitsmarkt, über private Arbeitsvermittlung und eine Offensive für mehr (berufliche) Bildung in Deutschland für alle Generationen. Als Fazit nahmen die Teilnehmer mit, dass der deutsche Arbeitsmarkt gut in Fahrt ist, aber mittel- und langfristig aufgrund der demografischen Entwicklung vor einem immer stärkeren Arbeitskräftemangel steht.
Mehr Informationen über die Agentur für Arbeit im Netz unter: www.arbeitsagentur.de
Karsten Matthis
Geschäftsführer Stiftung CSP